Drei-Maenner im Schnee E.Kaestner (549575), страница 23
Текст из файла (страница 23)
»Darf ich dieHerrschaften miteinander bekannt machen?« fragte das junge Mädchen belustigt. »Herr Schulze— Tante Julchen.«Tobler mußte sich, aus Rücksicht auf den neugierig herüberschauenden Portier, erheben. DieKunkel reichte ihm, ängstlich und glücklich zugleich, die Hand.Er verbeugte sich förmlich, setzte sich wieder und fragte: »Bei euch piept's wohl? Was?«»Nur bei mir, Herr Geheimrat«, erwiderte Tante Julchen. »Gott sei Dank, Sie leben noch! Aberschlecht sehen Sie aus. Na, es ist ja auch kein Wunder.«»Ruhe!« befahl Hilde.Doch Frau Kunkel trat bereits aus den Ufern.»Auf Leitern klettern, die Eisbahn kehren, Kartoffeln schälen, in einer Rumpelkammerschlafen ...«»Kartoffeln habe ich nicht geschält«, bemerkte Tobler.
»Noch nicht.«Die Kunkel war nicht mehr aufzuhalten. »Die Treppen scheuern, schiefe Wände haben Sie auch,und keinen Ofen im Zimmer, ich habe es ja kommen sehen! Wenn Sie jetzt eine doppelseitigeLungenentzündung hätten, kämen wir vielleicht schon zu spät, weil Sie schon tot wären! Esdreht sich einem das Herz im Leibe um.
Aber natürlich, ob wir inzwischen in Berlin sitzen undjede Minute darauf warten, daß der Blitz einschlägt, Ihnen kann das ja egal sein. Aber uns nicht,Herr Geheimrat! Uns nicht! Man sollte es wirklich nicht für möglich halten. Ein Mann wie Siemacht hier den dummen August!« Sie hatte echte Tränen in den Augen. »Soll ich Ihnen einenUmschlag machen? Haben Sie irgendwo Schmerzen, Herr Geheimrat? Ich könnte das Hotelanzünden! Oh!« Sie schwieg und putzte sich geräuschvoll die Nase.Tobler sah Tante Julchen unwillig an. »So ist das also«, meinte er und nickte wütend. »HerrKesselhuth hat geklatscht.
Mit mir könnt ihr's ja machen.«Seine Tochter sah ihn an. »Papa«, sagte sie leise. »Wir hatten solche Sorge um dich. Du darfst esuns nicht übelnehmen. Wir hatten keine ruhige Minute zu Hause. Verstehst du das denn nicht?Die Kunkel und der Johann und sogar ich, wir haben dich doch lieb.«Der Kunkel rollte aus jedem Auge je eine Träne über die knallroten Bäckchen. Sie schluchzteauf.Geheimrat Tobler war unbehaglich zumute. »Lassen Sie die blöde Heulerei!« brummte er. »Ihrbenehmt euch ja noch kindischer als ich!«86»Ein großes Wort«, behauptete seine Tochter.»Kurz und gut«, sagte Tobler, »ihr macht hier alles kaputt. Daß ihr's nur wißt! Ich habe einenFreund gefunden. So etwas braucht ein Mann! Und nun kommt ihr angerückt. Er stellt michmeiner eigenen Tochter vor! Kurz vorher hat er oben in meinem Zimmer erklärt, daß er diesesMädchen unbedingt heiraten wird!«»Welches Mädchen?« erkundigte sich Hilde.»Dich!« sagte der Vater.
»Wie sollen wir dem Jungen nun auseinanderposamentieren, wie sehrwir ihn beschwindelt haben? Wenn er erfährt, wer Tante Julchen und deren Nichte und derSchiffahrtslinienbesitzer Kesselhuth und sein Freund Schulze in Wirklichkeit sind, guckt er unsdoch überhaupt nicht mehr an!«»Wer will Fräulein Hildegard heiraten?« fragte die Kunkel. Ihre Tränen waren versiegt.»Fritz«, sagte Hilde hastig. »Ich meine, der junge Mann, der Ihnen im Autobus die Namen derBerge aufgezählt hat.«»Aha«, bemerkte Tante Julchen.
»Ein reizender Mensch. Aber Geld hat er keins.«Das fünfzehnte KapitelDrei Fragen hinter der TürAls Hagedorn mit den Baldriantropfen anrückte, saßen die drei einträchtig beisammen. Sie eintedie Besorgnis, er könnte hinter ihr Geheimnis kommen.»Tante Julchen ist auch da!« sagte er erfreut. »Sind die Koffer ausgepackt? Und wie gefälltIhnen mein Freund Eduard?«»Vorzüglich!« antwortete sie aus tiefster Seele.»Eduard, hier sind die Tropfen«, meinte Hagedorn.»Was für Tropfen?« fragte Schulze.»Die Baldriantropfen natürlich!« erklärte Fritz.
»Menschenskind, ich denke, du hastMagenschmerzen?«»Ach richtig«, murmelte der andere, und dann mußte er wohl oder übel Baldriantropfeneinnehmen. Mittels eines Kaffeelöffels. Hagedorn bestand darauf.Hilde freute sich über die Gesichter, die ihr Vater schnitt. Tante Julchen, die nicht begriffenhatte, daß es sich um erfundene Magenschmerzen handelte, war schrecklich aufgeregt und wolltedem Kranken einen heißen Wickel machen. Schulze schwor, daß es ihm bereits viel, viel bessergehe.»Das kennen wir!« sagte Tante Julchen mißtrauisch.
»Das machen Sie immer so!«Der Geheimrat und seine Tochter zuckten vor Schreck zusammen.87»Das machen sie immer so, die Männer!« fuhr die Tante geistesgegenwärtig fort. »Sie geben niezu, daß ihnen etwas fehlt.«Die Situation war gerettet. Frau Kunkels Gesicht grenzte an Größenwahn. So geschickt hatte siesich noch nie aus der Affäre gezogen.Ja, und dann kehrte Herr Kesselhuth von der vierten Skistunde zurück. Er hinkte ausLeibeskräften. Denn er war auf der Übungswiese versehentlich in den Graswander Tonihineingefahren. Und beide waren, als unentwirrbarer Knäuel, in einem Wildbach gelandet.Besonders tiefen Eindruck hatten dem grauhaarigen Skischüler die zahllosen ordinärenRedensarten gemacht, mit denen er anschließend vom Herrn Anton Graswander belegt wordenwar.
Sie waren auf keine Kuhhaut gegangen.Onkel Folter erkundigte sich teilnahmsvoll, wie der Unglücksfall verlaufen war, und empfahleine Firma, die den zerrissenen Sportanzug wieder ins Geschick bringen würde.Kesselhuth sah sich suchend um.»Herr Doktor Hagedorn sitzt in der Halle«, sagte der Portier.Kesselhuth humpelte weiter. Er entdeckte den Tisch, an dem Schulze und Hagedorn saßen. Alser, nur noch wenige Schritte entfernt, sah, wer die beiden Frauen waren, begann er leise mit denZähnen zu klappern. Er fuhr sich entsetzt über die Augen. Das war doch wohl nicht möglich! Erblickte noch einmal hin. Dann wurde ihm übel.
Er wäre für sein Leben gern im Bodenversunken. Doch es gab weit und breit keine Versenkung. Er humpelte hinüber. Tante Julchengrinste schadenfroh.»Was ist denn mit Ihnen geschehen?« fragte Schulze.»Es ist nicht sehr gefährlich«, meinte Kesselhuth. »Es gab einen Zusammenstoß. Das ist alles.Ich habe aber das Gefühl, daß ich keinen Sport mehr treiben werde.«Tante Julchen sah Herrn Hagedorn hypnotisch an. »Wollen Sie uns nicht vorstellen?«Der junge Mann machte die Herrschaften miteinander bekannt. Händedrücke wurden getauscht.Es ging sehr förmlich zu.
Kesselhuth wagte nicht zu sprechen. Jede Bemerkung konntegrundverkehrt sein.»Sie sind bestimmt der Herr, dem die Schiffahrtslinie gehört?« fragte Hilde.»So ist es«, sagte Kesselhuth betreten.»Was gehört ihm?« fragte Tante Julchen und hielt, als sei sie schwerhörig, eine Hand hintersOhr.»Eine Schiffahrtslinie«, meinte Herr Schulze streng. »Sogar eine sehr große Linie! Nicht wahr?«Kesselhuth war nervös.
»Ich muß mich umziehen. Sonst hole ich mir den Schnupfen.« Er niestedreimal. »Darf ich die Anwesenden bitten, nach dem Abendbrot in der Bar meine Gäste zusein?«88»Genehmigt«, sagte Schulze. »Wir wollen sehen, wieviel Tante Julchen verträgt.«Sie plusterte sich. »Ich trinke euch alle unter den Tisch. Als meine Schwester 1905 Hochzeithatte, habe ich zwei Flaschen Johannisbeerwein ganz allein ausgetrunken.«»Hoffentlich kriegen Sie Ihren Schwips diesmal etwas schneller«, meinte Kesselhuth, »sonstwird mir der Spaß zu teuer.« Dann hinkte er zur Treppe.
Er glich einer geschlagenen Armee.Hagedorn verzehrte Hilde mittlerweile mit seinen Blicken. Plötzlich lachte er auf. »Es ist zwarunwichtig, — aber ich weiß Ihren Familiennamen noch gar nicht.«»Nein?« fragte sie. »Komisch, was? Stellen Sie sich vor: Ich heiße genau so wie Ihr FreundEduard!«»Eduard«, sagte der junge Mann, »wie heißt du? Ach so, entschuldige, ich glaube, bei mir istheute ein Schräubchen locker.
Sie heißen Schulze?«»Seit wann siezt du mich denn wieder?« fragte Eduard.»Er meint doch mich«, erklärte Hilde. »Es stimmt schon, Herr Doktor. Ich heiße genau wie IhrFreund.«»Nein, so ein Zufall!« rief Hagedorn.»Schulze ist ein sehr verbreiteter Name«, bemerkte Eduard und musterte Hilde ärgerlich.»Trotzdem, trotzdem«, meinte Fritz gefühlvoll. »Dieser Zufall berührt mich merkwürdig. Es ist,als stecke das Schicksal dahinter. Vielleicht seid ihr miteinander verwandt und wißt es garnicht?«An dieser Gesprächsstelle bekam Tante Julchen einen Erstickungsanfall und mußte von FräuleinHildegard schleunigst aufs Zimmer transportiert werden. Auf der Treppe sagte sie erschöpft:»Das ist die reinste Pferdekur.
Konnten Sie sich denn keinen anderen Namen aussuchen?«Hilde schüttelte energisch den Kopf. »Ich konnte ihn nicht belügen. Daß ich genauso wie seinFreund Eduard heiße, ist doch wahr.«»Wenn das mal gut geht«, sagte die Kunkel.»Ist das Mädchen nicht wundervoll?« fragte Fritz.»Doch«, meinte Eduard mürrisch.»Hast du gesehen, daß sie, wenn sie lacht, ein Grübchen hat?«»Ja.«»Und in den Pupillen hat sie golden schimmernde Pünktchen.«»Das ist mir an ihr noch nie aufgefallen«, sagte Schulze.»Für wie alt hältst du sie eigentlich?«»Im August wird sie einundzwanzig Jahre.«Fritz lachte.
»Laß deine Witze, Eduard! Aber ungefähr wird es schon stimmen. Findest du nichtauch, daß ich sie heiraten muß?«89»Na ja«, sagte Schulze. »Meinetwegen.« Er bemerkte endlich, daß er faselte, und nahm sichzusammen. »Vielleicht hat sie keinen Pfennig Geld«, warf er ein.»Höchstwahrscheinlich sogar«, sagte Hagedorn. »Ich habe ja auch keins! Ich werde sie morgenfragen, ob sie meine Frau werden will. Dann können wir uns umgehend verloben. Und sobaldich eine Anstellung gefunden habe, wird geheiratet. Willst du Trauzeuge sein?«»Das ist doch selbstverständlich!« erklärte Schulze.Hagedorn begann zu schwärmen. »Ich bin wie neugeboren. Menschenskind, werde ich jetzt aberbei den Berliner Firmen herumlaufen! Ich werde sämtliche Generaldirektoren in Grund undBoden quatschen.
Sie werden gar nicht auf die Idee kommen, mich hinauszuwerfen.«»Vielleicht klappt es mit den Toblerwerken.«»Wer weiß«, sagte Fritz skeptisch. »Mit Empfehlungen habe ich noch nie Glück gehabt. Nein,das machen wir anders. Wenn wir in Berlin sind, rücken wir dem ollen Tobler auf die Bude!Hast du 'ne Ahnung, wo er wohnt?«»Irgendwo im Grunewald.«»Die Adresse werden wir schon herauskriegen. Wir gehen ganz einfach hin, klingeln, schiebendas Dienstmädchen beiseite, setzen uns in seine gute Stube und gehen nicht eher weg, bis er unsangestellt hat. Schlimmstenfalls übernachten wir dort.
Ein paar Stullen nehmen wir mit. Ist dasgut?«»Eine grandiose Idee«, sagte Schulze. »Ich freue mich schon jetzt auf Toblers Gesicht. Wir zweiwerden's dem ollen Knaben schon besorgen, was?«»Worauf er sich verlassen kann!« bemerkte Hagedorn begeistert. »Herr Geheimrat — werdenwir sagen — Sie besitzen zwar viele Millionen und verdienen jedes Jahr noch ein paar dazu, undsomit ist es eigentlich überflüssig, daß zwei so talentierte Werbefachleute wie wir ausgerechnetzu Ihnen kommen. Wir sollten lieber für Werke arbeiten, denen es schlecht geht, damit siewieder auf die Beine kommen.
Aber, Herr Geheimrat, keine Reklame ist so gut, daß sie nicht mitKosten verbunden wäre. Wir Propagandisten sind Feldherren; aber unsre Armeen liegen, saubergebündelt, in Ihrem Geldschrank. Ohne Truppen kann der beste Stratege keine Schlachtgewinnen. Und Reklame ist Krieg! Es gilt, die Köpfe von Millionen Menschen zu erobern.