Drei-Maenner im Schnee E.Kaestner (549575), страница 20
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Dann sagte Kesselhuth, der sich wieder73hinter Schulzes Stuhl gestellt hatte: »Na denn Prost!« Sie tranken. Und er fuhr fort: »GnädigerHerr, darf ich mir eine Bemerkung erlauben?«»Ich bitte darum, Johann«, sagte Schulze.»Wir sollten jetzt vors Hotel gehen und auf Kasimirs Wohl trinken.«Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Kesselhuth belud sich mit einer Flasche und dreiGläsern.
Schulze übernahm die Teddybären. Dann spazierten die drei Männer im Gänsemarschdurch die Säle. Hagedorn schritt voran.Im Grünen Saal störten sie die Preisverteilung für die gelungensten Kostüme. Im Kleinen Saalbehinderten sie durch ihren Vorbeimarsch die von Professor Heltai arrangierten Tanz- undPfänderspiele. Würdig und ein wenig im Zickzack marschierend, bahnten sie sich unbeirrt ihrenWeg.Der Portier, den besonders waghalsige Ballbesucher mit Konfetti und Papierschlangen verzierthatten, verbeugte sich vor Hagedorn und blickte giftig zu Schulze hinüber, der die Teddybärenemporhob und laut zu ihnen sagte: »Schaut euch einmal den bösen Onkel an! So etwas gibt'swirklich.«Kasimir, der Husaren-Schneemann, sah wieder ganz reizend aus.
Die drei Männer betrachtetenihn voller Liebe. Es schneite.Schulze trat vor. »Bevor wir auf das Wohl unseres gemeinsamen Sohnes anstoßen«, sagte erfeierlich, »möchte ich ein gutes Werk tun. Es ist bekanntlich nicht gut, daß der Mann allein sei.Auch der Schneemann nicht.« Er ging langsam in Kniebeuge und setzte die Teddybären, einenzur Rechten und einen zur Linken Kasimirs, in den kalten Schnee. »Nun hat er wenigstens, auchwenn wir fern von ihm weilen, Gesellschaft. «Dann füllte Herr Kesselhuth die Gläser. Aber der Rest Wein, der in der Flasche war, reichte nichtaus. Und Johann verschwand im Hotel, um eine volle Flasche zu besorgen.Nun standen Schulze und Hagedorn allein unterm Nachthimmel. Jeder hatte ein halbvolles Glasin der Hand. Sie schwiegen.
Der Abend war sehr lustig gewesen. Aber die beiden Männer warenplötzlich ziemlich ernst. Ein sich leise bewegender Vorhang von Schneeflocken trennte sie.Schulze hustete verlegen. Dann sagte er: »Seit ich im Krieg war, habe ich keinen Mann mehrgeduzt. Frauen, na ja. Da gibt es Situationen, wo man schlecht Sie sagen kann. Ich möchte, wennes dir recht ist, mein Junge, den Vorschlag machen, daß wir jetzt Brüderschaft trinken.«Der junge Mann hustete gleichfalls. Dann antwortete er: »Ich habe seit der Universität keinenFreund mehr gehabt. Ich hätte mich nie getraut, Sie um Ihre Freundschaft zu bitten.Menschenskind, ich danke dir.«»Ich heiße Eduard«, bemerkte Schulze.»Ich heiße Fritz«, sagte Hagedorn.74Dann stießen sie mit den Gläsern an, tranken und drückten einander die Hand.Kesselhuth, der, eine neue Flasche unterm Arm, aus der Tür trat, sah die beiden, ahnte dieBedeutung dieses Händedrucks, lächelte ernst, machte behutsam kehrt und ging in das lärmendeHotel zurück.Das dreizehnte KapitelDer große RucksackMutter Hagedorns Paket traf am nächsten Tag ein.
Es enthielt die Reklamearbeiten, die der Sohnverlangt hatte, und einen Brief.»Mein lieber guter Junge!« schrieb die Mutter. »Vielen Dank für die zwei Ansichtskarten. Ichbin auf dem Sprunge und will das Paket zum Bahnhof bringen, damit Du es schnell kriegst.Hoffentlich knicken die Ecken nicht um. Ich meine, bei den Paketen und Kunstdrucksachen. Undsage diesem Herrn Kesselhuth, wir möchten Deine Arbeiten gelegentlich zurückhaben. SolcheHerrschaften sind meistens vor lauter Großartigkeit vergeßlich.Herr Franke sagt, wenn es mit den Toblerwerken klappte, das wäre zum Blödsinnigwerden. Duweißt ja, daß er sich stets so ausschweifend ausdrückt.
Er will für Dich die Daumen halten. Dasfinde ich, wo er nur zur Untermiete bei uns wohnt, sehr anständig von ihm. Ich halte nicht nurdie Daumen, sondern auch die großen Zehen. Wenn trotzdem aus der Anstellung nichts werdensollte, haben wir uns wenigstens keine Vorwürfe zu machen. Das ist die Hauptsache. Man darfsich nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Und wer sich ein Bein ausreißt, hat es sich selberzuzuschreiben.Daß der andere Preisträger ein netter Mensch ist, freut mich. Grüße ihn schön. Natürlichunbekannterweise. Und laßt Euch von den feinen Leuten nichts vormachen. Viele könnensowieso nichts dafür, daß sie reich sind. Viele haben, glaube ich, nur deswegen Geld, weil derliebe Gott ein weiches Herz hat. Besser als gar nichts, hat er bei ihrer Erschaffung gedacht.
WirstDu übrigens mit der Wäsche reichen? Sonst schicke mir rasch die schmutzige in einem Karton.In drei Tagen hast Du sie wieder. Bei Heppners liegen sehr schöne Oberhemden im Fenster. Ichwerde eins zurücklegen lassen. Ein blaues mit vornehmen Streifen. Wir holen es, wenn Duwieder zu Hause bist. Ich könnte Dir's mitschicken. Aber wer weiß, ob es Dir gefällt.So, mein Junge. Jetzt fahre ich mit dem Zug bis zum Potsdamer Bahnhof. Dann laufe ich biszum Anhalter. Schneeluft ist gesund. Man kommt überhaupt zu wenig aus der Stube.
DieAnsichtskarten gefallen mir gut. So ähnlich wie neulich im Kino, wo Du Fremdenlogeverlangtest. Ich habe es Herrn Franke erzählt. Er hat gelacht.Vergiß nicht, wenn Du im Wald bist, acht- bis zehnmal tief Atem zu holen. Nicht öfter. Sonst75kriegt man Kopfschmerzen. Und was soll das.Mir geht es ganz ausgezeichnet.
Ich singe viel. In der Küche. Wenn ich esse, steht DeineFotografie auf dem Tisch. Denn allein schmeckt's mir nicht. Hab ich recht? Hoffentlich kommtmorgen ein Brief von Dir. Wo Du ausführlich schreibst. Vorläufig versteh ich nämlich manchesnoch nicht. Vielleicht bin ich mit der Zeit ein bißchen dumm geworden. Durch dieArterienverkalkung.Wieso hast Du zum Beispiel drei kleine Katzen im Zimmer? Und wieso hast Du zwei Zimmerund ein extra Bad? Und was soll das mit dem Ziegelstein? Das ist mir völlig unklar, mein lieberJunge.Herr Franke sagt, hoffentlich wäre es wirklich ein Hotel. Und nicht etwa ein Irrenhaus.
Er ist einschrecklicher Mensch. Hat denn der andere Preisträger auch so viele Räumlichkeiten und Katzenund einen Ziegelstein?Der Roman in der Zeitung ist diesmal sehr spannend. Viel besser als der letzte. Besonders seitgestern. Herr Franke und ich sind ganz verschiedener Ansicht, wie die Geschichte weitergehenwird. Er versteht nichts von Romanen. Das wissen wir ja nun schon.Und dann: mach keine Dummheiten! Ich meine Ausflüge auf gefährliche Berggipfel.
Gibt es inBrückbeuren Lawinen? Dann sieh Dich besonders vor! Sie fangen ganz harmlos an, undplötzlich sind sie groß. Ausweichen hat dann keinen Zweck mehr.Passe, bitte, gut auf! Ja? Auch mit den weiblichen Personen im Hotel. Entweder ist es nichtsGenaues oder in festen Händen. Daß nicht wieder so ein Krach wird wie damals in der Schweiz.Da sitzt Du dann wieder da mit dem dicken Kopf. Sei so lieb. Sonst hab ich keine Ruhe.Ich schreibe wieder einmal einen Brief, der nicht alle wird. Also Schluß! Antworte auf meineFragen. Du vergißt es oft. Und nun zum Bahnhof.Bleibe gesund und munter! Kein Tag, der vorüber ist, kommt wieder. Und benimm Dich! Du bistmanchmal wirklich frech.
Viele Grüße und Küsse vonDeiner Dich über alles liebendenMutter.«Nach dem Lunch saßen die drei Männer auf der Terrasse, und Doktor Hagedorn zeigte seinegesammelten Werke. Schulze betrachtete sie eingehend. Er fand sie sehr gelungen, und sieunterhielten sich lebhaft darüber. Herr Kesselhuth rauchte eine dicke schwarze Zigarre, schenkteallen Kaffee ein und sonnte sich in jeder Beziehung. Schließlich meinte er: »Also, heute abendschicke ich das Paket an Geheimrat Tobler.«»Und vergessen Sie, bitte, nicht, bei ihm anzufragen, ob er auch für Herrn Schulze einen Postenhat«, bat Hagedorn. »Es ist dir doch recht, Eduard?«Schulze nickte.
»Gewiß, mein Junge. Der olle Tobler soll sich mal anstrengen und was für uns76beide tun.«Kesselhuth nahm die Arbeiten an sich. »Ich werde nichts unversucht lassen, meine Herren.«»Und er soll die Sachen, bitte, bestimmt zurückgeben«, erklärte der junge Mann. »Meine Mutterist diesbezüglich sehr streng.«»Selbstverständlich«, sagte Schulze, obwohl ihn das ja eigentlich gar nichts anging.Kesselhuth zerdrückte den Rest seiner Zigarre im Aschenbecher, erhob sich ächzend, murmelteeiniges und ging traurig davon.