Drei-Maenner im Schnee E.Kaestner (549575), страница 29
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Ich nehme an, daß Ihnen das Geld nicht ungelegen kommt.«»Warum wirft man mich eigentlich hinaus?« fragte Schulze. Er war um einen Schein blässergeworden. Das Erlebnis ging ihm nahe.»Von Hinauswerfen kann keine Rede sein«, sagte Herr Kühne.»Wir ersuchen Sie, wir bitten Sie,wenn Sie so wollen. Uns liegt daran, die anderen Gäste zufriedenzustellen.«»Ich bin ein Schandfleck, wie?« fragte Schulze.»Ein Mißton«, erwiderte der Portier.Geheimrat Tobler, einer der reichsten Männer Europas, meinte ergriffen: »Armut ist also docheine Schande.«Aber Onkel Folter zerstörte die Illusion. »Sie verstehen das Ganze falsch«, erklärte er.
»Wennein Millionär mit drei Schrankkoffern ins Armenhaus zöge und dort dauernd im Frackherumliefe, wäre Reichtum eine Schande! Es kommt auf den Standpunkt an.«»Alles zu seiner Zeit und am rechten Ort«, behauptete Herr Kühne.»Und Sie sind nicht am rechten Ort«, sagte Onkel Polter.Da erhob sich Tante Julchen, trat dicht an Onkel Folter heran, wedelte unmißverständlich mit derrechten Hand und meinte: »Machen Sie, daß Sie fortkommen, sonst knallt's!«»Lassen Sie den Portier in Ruhe!« befahl Schulze. Er stand auf. »Also gut. Ich reise. HerrKesselhuth, würden Sie die Güte haben und ein Leihauto bestellen? In zwanzig Minuten fahreich.«»Ich komme natürlich mit«, sagte Herr Kesselhuth. »Portier, meine Rechnung. Aber ein bißchenplötzlich!« Er verschwand im Laufschritt.»Mein Herr!« rief der Direktor hinterher.
»Warum wollen Sie uns denn verlassen?«Tante Julchen lachte böse. »Sie sind ja wirklich das Dümmste, was 'raus ist! Hoffentlich hebtsich das mit der Zeit. Für meine Nichte und mich die Rechnung! Aber ein bißchen plötzlich!«Sie rauschte davon und stolperte über die Schwelle.Der Direktor murmelte: »Einfach tierisch!«»Wo sind die zweihundert Mark?« fragte Herr Schulze streng.»Sofort«, murmelte der Portier, holte die Brieftasche heraus und legte zwei Scheine auf denTisch.Schulze nahm das Geld, winkte dem Ober, der an der Tür stand, und gab ihm die zweihundertMark. »Die Hälfte davon bekommt der Sepp, mit dem ich die Eisbahn gekehrt habe«, sagte er.»Werden Sie das nicht vergessen?«Der Kellner hatte die Sprache verloren.
Er schüttelte nur den Kopf.»Dann ist's gut«, meinte Schulze. Er sah den Direktor und den Portier kalt an. »Entfernen Siesich!«110Die beiden folgten wie die Schulkinder. Geheimrat Tobler und Hilde waren allein.»Und was wird mit Fritz?« fragte Fräulein Tobler.Ihr Vater blickte den entschwindenden Gestalten nach. Er sagte: »Morgen kaufe ich das Hotel.Übermorgen fliegen die beiden hinaus.«»Und was wird mit Fritz?« fragte Hilde weinerlich.»Das erledigen wir in Berlin«, erklärte der Geheimrat.
»Glaub mir, es ist die beste Lösung.Sollen wir ihm in dieser unmöglichen Situation erzählen, wer wir eigentlich sind?«Zwanzig Minuten später fuhr eine große Limousine vor. Sie gehörte dem Lechner Leopold,einem Fuhrhalter aus Bruckbeuren, und er saß persönlich am Steuer. Die Hausdiener brachtenaus dem Nebeneingang des Hotels mehrere Koffer und schnallten sie auf dem Klapprost desWagens fest.Der Direktor und der Portier standen vor dem Portal und waren sich nicht im klaren.»Einfach tierisch«, sagte Herr Kühne. »Der Mann schmeißt zweihundert Mark zum Fensterhinaus.
Er läßt seine Freifahrkarte verfallen und fährt im Auto nach München. Drei Gäste, die ererst seit ein paar Tagen kennt, schließen sich an. Ich fürchte, wir haben uns da eine sehr heißeSuppe eingebrockt.«»Und das alles wegen dieser mannstollen Casparius!« meinte Onkel Polter. »Sie will denSchulze doch nur forthaben, damit sie besser an den kleinen Millionär herankann.«»Ja, warum haben Sie mir denn das nicht früher mitgeteilt?« fragte Karl der Kühne empört.Der Portier dachte an die dreihundert Mark, die er bei der Transaktion eingesteckt hatte, undsteckte den Vorwurf dazu.Dann kamen Tante Julchen und ihre Nichte.
Sie waren mit Hutschachteln, Schirmen undTaschen beladen. Der Direktor wollte ihnen beispringen. »Lassen Sie die Finger davon!« befahldie Tante. »Ich war nur zwei Tage hier. Aber mir hat's genügt. Ich werde Sie, wo ich kann,weiterempfehlen.«»Ich bin untröstlich«, erklärte Herr Kühne.»Mein Beileid«, sagte die Tante.Der Portier fragte: »Meine Damen, warum verlassen Sie uns denn so plötzlich?«»Er kommt aus dem Mustopf«, meinte Tante Julchen.»Hier ist ein Brief für Doktor Hagedorn«, sagte Hilde. Onkel Polter nahm ihn ehrfürchtig inEmpfang. Das junge Mädchen wandte sich an den Direktor. »Ehe ich's vergesse: wir haben vorsechs Tagen miteinander telefoniert.«»Nicht daß ich wüßte, gnädiges Fräulein!«»Ich bereitete Sie damals auf einen verkleideten Millionär vor.«111»Sie waren das?« fragte der Portier.
»Und jetzt lassen Sie Herrn Doktor Hagedorn allein?«»Wie kann ein einzelner Mensch nur so dämlich sein!« meinte Tante Julchen und schüttelte dasHaupt.Hilde sagte: »Tantchen, jetzt keine Fachsimpeleien! Guten Tag, die Herren.
Ich glaube, Siewerden lange an den Fehler denken, den Sie heute gemacht haben.« Die beiden Damen stiegen inLechners Limousine.Bald darnach erschienen Schulze und Kesselhuth. Schulze legte einen Brief für Fritz auf denPortiertisch.Der Direktor und Onkel Polter verbeugten sich. Sie wurden aber übersehen. Das Auto füllte sich.Johann hielt die elektrische Heizsonne auf dem Schoß.
Die Koffer waren voll gewesen.Der Lechner Leopold wollte schon anfahren, als Sepp, der Skihallenhüter, angaloppiert kam. Ergab gutturale Laute der Rührung von sich, ergriff Schulzes Hand und schien entschlossen, sieabreißen zu wollen.»Schon gut, Sepp«, sagte Schulze. »Es ist gern geschehen. Sie waren beim Eisbahnkehren sehrnett zu mir.«Kesselhuth zeigte auf die kläglichen Reste des getauten Schneemanns. »Der schöne Kasimir isthin.«Schulze lächelte. Er entsann sich jener gestirnten Nacht, in der Kasimir zur Welt gekommen war.»Schön war's doch«, murmelte er.Dann fuhr der Wagen davon. Die Schneepfützen spritzten.Als Hagedorn ins Hotel zurückkam, übergab ihm der Portier zwei Briefe.
»Nanu«, sagte Fritz,setzte sich in die Halle und riß die Kuverts auf.Das erste Schreiben lautete: »Mein lieber Junge! Ich muß, unerwartet und sofort, nach Berlinzurück. Es tut mir sehr leid. Auf baldiges Wiedersehen. Herzliche Grüße Dein Freund Eduard.«Auf dem zweiten Briefbogen stand: »Mein Liebling! Wenn Du diese Zeilen liest, ist DeinFräulein Braut durchgegangen. Sie wird es bestimmt nicht wieder tun.
Sobald Du sie gefundenhast, darfst Du sie so lange an den Ohren ziehen, bis diese rechtwinkling abstehen. Vielleicht istes kleidsam. Komme, bitte, bald nach Berlin, wo nicht nur meine Ohren auf Dich warten,sondern auch der Mund Deiner zukünftigen Gattin Hilde Hagedorn.«Fritz stieß einen gräßlichen Fluch aus und rannte zum Portier hinüber. »Was soll das dennbedeuten?« fragte er fassungslos. »Schulze ist abgereist! Meine Braut ist abgereist! Und TanteJulchen?«»Abgereist«, sagte der Portier.»Und Herr Kesselhuth?«112»Abgereist«, flüsterte der Portier.Hagedorn musterte das Armesündergesicht Onkel Polters.
»Hier stimmt doch etwas nicht!Warum sind die vier fort? Erzählen Sie mir jetzt keine Märchen! Sonst könnte ich heftigwerden!«Der Portier sagte: »Warum die beiden Damen und Herr Kesselhuth fort sind, weiß ich nicht.«»Und Herr Schulze?«»Einige Gäste haben sich beschwert. Herr Schulze störe die Harmonie. Die Direktion bat ihn,abzureisen. Er trug der Bitte sofort Rechnung. Daß zu guter Letzt vier Personen abfuhren, hattenwir nicht erwartet.«»Nur vier?« fragte Doktor Hagedorn. Er trat vor den Fahrplan, der an der Wand hing.
»Ich fahrenatürlich auch. In einer Stunde geht mein Zug.« Er rannte zur Treppe. Der Portier war demZusammenbrechen nahe. Er schleppte sich ins Büro, sank dort in einen Stuhl und meldete Karldem Kühnen das neueste Unglück.»Hagedorns Abreise muß verhindert werden!« behauptete der Direktor.
»So ein verstimmterMillionär kann uns derartig in Verruf bringen, daß wir in der nächsten Saison die Budezumachen können.«Sie stiegen ins erste Stockwerk und klopften am Appartement 7. Aber Hagedorn antwortetenicht. Herr Kühne drückte auf die Klinke. Die Tür war abgeriegelt. Sie hörten es bis auf denKorridor hinaus, wie im Zimmer Schubkästen aufgezogen und Schranktüren zugeknallt wurden.»Er packt sehr laut«, sagte der Portier beklommen. Sie gingen traurig in die Halle hinunter undwarteten, daß der junge Mann erschiene.Er erschien. »Den Koffer bringt der Hausdiener zur Bahn. Ich gehe zu Fuß.«Die beiden liefen neben ihm her.