Drei-Maenner im Schnee E.Kaestner (549575), страница 32
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»Herr Schulze, ich freue mich, Sie kennenzulernen. Einen hätten wir also, meinJunge. Das Fräulein Braut werden wir auch noch finden.«Es klopfte. Der Diener trat ein. »Fräulein Tobler läßt fragen, ob die gnädige Frau vor dem Essenein wenig mit ihr plaudern möchte.«»Was denn für eine gnädige Frau?« erkundigte sich die alte Dame.»Wahrscheinlich sind Sie gemeint«, sagte Eduard.»Das wollen wir aber nicht einführen«, knurrte sie. »Ich bin Frau Hagedorn. Das klingt feingenug. Na schön, gehen wir plaudern. Schließlich ist das Fräulein die Tochter eures Chefs.« Siezog ihren Schuh wieder an, schnitt ein Gesicht, nickte den zwei Männern vergnügt zu und folgtedem Diener.»Warum bist du denn schon wieder in Berlin?« fragte Eduard.»Erlaube mal!« sagte Fritz beleidigt. »Als mir der Türhüter Folter mitteilte, was vorgefallen war,gab es doch für Hagedorn keinen Halt mehr.«»Die Casparius ließ mir durch den Direktor zweihundert Mark anbieten, falls ich sofortverschwände.«»So ein freches Frauenzimmer«, meinte Fritz.
»Sie wollte mich verführen. Das liegt auf der121Hand. Du warst ihrem Triebleben im Wege. Menschenskind, die wird Augen gemacht haben, alsich weg war!« Er sah seinen Freund liebevoll an. »Daß ich dich erwischt habe! Nun fehlt mir nurnoch Hilde. Dann ist das Dutzend voll. — Warum ist sie eigentlich auch getürmt? Hat sie dir ihreAdresse gegeben?«Es klopfte. Die Tür zum Nebenzimmer öffnete sich. Der Diener erschien und verschwand.Eduard stand auf und ging hinüber.
Fritz folgte vorsichtig.»Aha!« sagte er. »Der Arbeitsraum des Wirtschaftsführers. Da wird er wohl bald persönlichauftauchen. Eduard, mach keine Witze! Gleich setzt du dich auf einen anderen Stuhl!«Eduard hatte sich nämlich hinter den Schreibtisch gesetzt.Fritz war ärgerlich. »Wenn der olle Tobler keinen Spaß versteht, fliegen wir raus! Setz dichwoanders hin! Ich will doch heiraten, Eduard!«Aber der andere blieb hinterm Schreibtisch sitzen. »Nun höre, bitte, mal zu«, bat er. »Ich habedich in Bruckbeuren ein bißchen belogen.
Es war mir gar nicht angenehm. Ich lüge ungern.Höchst ungern! Aber in dem verdammten Hotel hatte ich nicht die Courage zur Wahrheit. Ichhatte Angst, du könntest mich mißverstehen.«»Eduard«, sagte der junge Mann. »Nun wirst du albern! Quatsch keine Opern! Heraus mit derSprache! Inwiefern hast du mich beschwindelt? Setze dich aber, ehe du antwortest, auf einenanderen Stuhl. Es macht mich nervös.«»Die Sache ist die«, fing Eduard an. »Mit dem Stuhl hängt es auch zusammen. Es fällt mirschrecklich schwer. Also...«Da klopfte es wieder einmal. Der Diener trat ein, sagte: »Es ist serviert, Herr Geheimrat!« undging.»Was ist los?« fragte Hagedorn und stand auf. »Was hat der Lakai zu dir gesagt? Geheimrat?«Eduard zuckte verlegen die Achseln. »Stell dir vor!« meinte er.
»Ich kann's nicht ändern, Fritz.Sei mir nicht böse, ja? Ich bin der olle Tobler.«Der junge Mann faßte sich an den Kopf. »Du bist Tobler? Du warst der Millionär, für den manmich gehalten hat? Deinetwegen hatte ich drei Katzen im Zimmer und Ziegelsteine im Bett?«Der Geheimrat nickte. »So ist es. Meine Tochter hatte hinter meinem Rücken telefoniert. Und alsdu und ich ankamen, wurden wir verwechselt. Ich konnte mein Inkognito nicht aufgeben.
Ichhatte das Preisausschreiben doch unter dem Namen Schulze gewonnen! Siehst du das ein?«Hagedorn machte eine steife Verbeugung. »Herr Geheimrat, unter diesen Umständen möchte ichSie bitten...«Tobler sagte: »Fritz, sprich jetzt nicht weiter! Ich bitte dich darum. Rede jetzt keinen Unsinn, ja?Ich verbiete es dir!« Er trat zu dem jungen Mann, der ein störrisches Gesicht machte. »Was fälltdir eigentlich ein? Ist dir unsere Freundschaft so wenig wert, daß du sie ganz einfach wegwerfen122willst? Bloß, weil ich Geld habe? Das ist doch keine Schande!« Er packte den jungen Mann amArm und ging mit ihm im Zimmer auf und ab. »Schau her! Daß ich mich als armer Mannverkleidete, das war wenig mehr als ein Scherz.
Ich wollte einmal ohne den fatalen Nimbus desMillionärs unter Menschen gehen. Ich wollte ihnen näherkommen. Ich wollte erleben, wie siesich zu einem armen Mann benehmen. Nun, der kleine Scherz ist erledigt. Was ich erlebenwollte, hat wenig zu bedeuten, wenn ich's mit dem vergleiche, was ich erlebt habe. Ich habeeinen Freund gefunden. Endlich einen Freund, mein Junge! Komm, gib dem ollen Tobler dieHand!« Der Geheimrat streckte Fritz die Hand entgegen. »Donnerwetter noch einmal, duDickschädel! Wird's bald?«Fritz ergriff die dargebotene Hand. »Geht in Ordnung, Eduard«, sagte er. »Und nichts fürungut.«Als sie das Speisezimmer betraten, meinte der Geheimrat: »Wir sind natürlich die ersten.
Daßdie Frauen immer so lange klatschen müssen!«»Ja, richtig«, sagte Hagedorn. »Du hast eine Tochter. Wie alt ist denn das Ganze?«Tobler schmunzelte. »Sie befindet sich im heiratsfähigen Alter und ist seit ein paar Tagenverlobt.«»Fein«, meinte Fritz. »Ich gratuliere. Nun aber ernsthaft: Weißt du wirklich nicht, wo Hildewohnt?«»Sie hat mir keine Adresse angegeben«, erwiderte der Geheimrat diplomatisch. »Aber du wirstsie schon noch kriegen. Die Hilde und die Adresse.«»Ich habe auch so das Gefühl«, sagte der junge Mann.
»Aber wenn ich sie erwische, kann siewas erleben! Sonst denkt sie womöglich, ich lasse mich inder Ehe auf den Arm nehmen. Da muß man rechtzeitig durchgreifen. Findest du nicht auch?«Durch eine Tür, die sich öffnete, rollte ein Servierwagen. Ein grauhaariger Diener folgte. Erschob den mit Schüsseln beladenen Wagen vor sich her und hielt den Kopf gesenkt. Als dasFahrzeug stillstand, hob er das Gesicht und sagte: »Guten Abend, Herr Doktor.«»'n Abend«, entgegnete Hagedorn. Dann aber sprang er hoch. »Herr Kesselhuth!«Der Diener nickte. »In der Tat, Herr Doktor.«»Und die Reederei?«»War Rederei«, erklärte der Geheimrat.
»Johann ist mein alter Diener. Ich wollte nicht alleinnach Bruckbeuren fahren. Deshalb mußte er den Schiffahrtsbesitzer spielen. Er hat seine Rolleglänzend gespielt.«»Es war nicht leicht«, sagte Johann bescheiden.Fritz fragte: »Widerspricht es Ihrer Berufsauffassung, wenn ich Ihnen herzhaft die Hand123schüttle?«Johann sagte: »Im vorliegenden Falle darf ich, glaube ich, eine Ausnahme machen.«Fritz drückte ihm die Hand.
»Jetzt begreife ich erst, warum Sie über Eduards Zimmer so entsetztwaren. Ihr habt mich ja schön angeschmiert!«Johann sagte: »Es war kein Zimmer, sondern eine Zumutung.«Fritz setzte sich wieder. Der alte, vornehme Diener tat die Schüsseln auf den Tisch. Der jungeMann meinte lachend: »Wenn ich bedenke, daß ich mich deinetwegen habe massieren lassenmüssen, dann müßte ich von Rechts wegen unversöhnlich sein. Ach, ich habe dir übrigens einenalten Zinnkrug gekauft. Und Ihnen, Johann, eine Kiste Havanna.
Und für Hilde ein PaarOhrgehänge. Die kann ich mir jetzt durch die Nase ziehen.«»Vielen Dank für die Zigarren, Herr Doktor«, meinte Johann.Hagedorn schlug auf den Tisch. »Ach, das wißt ihr ja noch gar nicht! Bevor ich wegfuhr, habeich doch dem Herrn Hoteldirektor und dem Portier mitgeteilt, daß ich gar kein verkleideterMillionär wäre! So lange Gesichter, wie es da zu sehen gab, sind selten.«Tobler fragte: »Johann, hat Generaldirektor Tiedemann angerufen?«»Noch nicht, Herr Geheimrat.« Der Diener wandte sich an Hagedorn. »Der Toblerkonzern wirdheute oder morgen das Grandhotel Bruckbeuren kaufen. Und dann fliegen die beiden Herrenhinaus.«»Aber Eduard«, sagte Fritz.
»Du kannst doch zwei Angestellte nicht für den Hochmut der Gästebüßen lassen! Es waren zwei Kotzbrocken, zugegeben. Doch dein Einfall, als eingebildeterArmer in einem Luxushotel aufzutreten, war auch reichlich schwachsinnig.«»Johann, hat er recht?« fragte der Geheimrat.»So ziemlich«, gab der Diener zu. »Der Ausdruck, >schwachsinnig< erscheint mir allerdingsetwas hart.«Die Herren lachten.Da kam Hagedorns Mutter hereinspaziert.
»Wo man lacht, da laß dich ruhig nieder«, sagte sie.Fritz sah sie fragend an. »Ich weiß Bescheid, mein Junge. Fräulein Tobler hat mich eingeweiht.Sie hat große Angst vor dir. Sie ist daran schuld, daß du ein paar Tage Millionär warst.
Übrigensein bezauberndes Mädchen, Herr Geheimrat!«»Ich heiße Tobler«, erwiderte er. »Sonst nenne ich Sie gnädige Frau!«»Ein bezauberndes Mädchen, Herr Tobler!« meinte die alte Dame. »Schade, daß ihr beidenschon verlobt seid, Fritz!«»Wir könnten ja Doppelhochzeit feiern«, schlug Hagedorn vor.»Das wird sich schlecht machen lassen«, sagte der Geheimrat.Plötzlich klatschte Fritzens Mutter dreimal in die Hände. Daraufhin öffnete sich die Tür. Ein124junges Mädchen und eine alte Dame traten ein.Der junge Mann stieß unartikulierte Laute aus, riß einen Stuhl um, rannte auf das Fräulein losund umarmte sie. »Endlich«, flüsterte er nach einer Weile.»Mein Liebling«, sagte Hildegard.
»Bist du mir sehr böse?«Er preßte sie noch fester an sich.»Machen Sie Ihre Braut nicht kaputt«, meinte die Dame neben ihm. »Es nimmt sie Ihnen jakeiner weg.«Er trat einen Schritt zurück. »Tante Julchen? Wie kommt ihr denn eigentlich hierher? Ach so,Eduard hat euch eingeladen, um mich zu überraschen.«Das junge Mädchen sah ihn an.
Mit ihrem kerzengeraden Blick. »Es liegt anders, Fritz. Erinnerstdu dich, was ich dir in Bruckbeuren antwortete, als du mich nach meinem Namen fragtest?«»Klar«, meinte er. »Du sagtest, du heißt Schulze.«»Du irrst dich. Ich sagte, ich hieße genau so wie dein Freund Eduard.«»Na ja! Eduard hieß doch Schulze!«»Und wie heißt er jetzt?«Fritz blickte von ihr zu dem Tisch hinüber. Dann sagte er: »Du bist seine Tochter? Ach, du liebesbißchen!«Sie nickte. »Wir hatten solche Angst. Und da fuhr ich mit Frau Kunkel los. Wir wußten durchJohanns Briefe, wie sehr Vater schikaniert wurde.«»So ist das«, meinte er.
»Und Tante Julchen ist gar nicht deine Tante ?«»O nein«, sagte die Kunkel. »Ich bin die Hausdame. Mir genügt's.«»Mir auch«, meinte Hagedorn. »Keiner war der, der er schien. Und ich Riesenroß habe allesgeglaubt. Ein Glück, daß ich nicht Detektiv geworden bin!« Er gab der Kunkel die Hand. »Ichbin sehr froh, daß Sie nicht die Tante sind. Die Übersicht könnte darunter leiden. Ich habe bereitseinen Freund, der mein Schwiegervater wird.