Drei-Maenner im Schnee E.Kaestner (549574), страница 9
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»Tun Sie's mir zuliebe«, bat Schulze. »Mir haben die drei kleinen Katzen so gut gefallen.«
Der junge Mann kratzte sich am Kopf. »Also schön«, erklärte er. »Aber bevor wir abreisen, geben wir durch Anschlag am Schwarzen Brett bekannt, daß das Hotel von irgendeinem Spaßmacher hineingelegt worden ist. Ja?«
»Das eilt nicht«, sagte Schulze. »Bis auf weiteres bleiben Sie, bitte, ein Rätsel!«
Das achte Kapitel Der Schneemann Kasimir
Als die beiden miteinander durch die Halle gingen, war die Empörung groß. Das Publikum fand sich brüskiert. Wie konnte der geheimnisvolle Millionär mit dem einzigen armen Teufel, den das Hotel zu bieten hatte, gemeinsame Sache machen! So realistisch brauchte er seine Rolle wirklich nicht zu spielen!
»Einfach tierisch!« sagte Karl der Kühne, der beim Portier stand. »Dieser Schulze! Das ist das Letzte!«
»Die Casparius und die Mallebre machen schon Jagd auf den Kleinen«, erzählte Onkel Poker. »Er könnte es haben wie in Abrahams Schoß!«
»Der Vergleich stimmt nur teilweise«, meinte der Direktor. (Er neigte gelegentlich zur Pedanterie.)
»Ich sehe schon«, sagte der Portier, »ich werde für Herrn Schulze eine kleine Nebenbeschäftigung erfinden müssen. Sonst geht er dem Millionär nicht von der Seite.« »Vielleicht reist er bald wieder ab«, bemerkte Herr Kühne. »Die Dachkammer, die wir ihm ausgesucht haben, wird ihm auf die Dauer kaum zusagen. Dort oben hat es noch kein
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Stubenmädchen und kein Hausdiener ausgehalten.«
Onkel Polter kannte die Menschen besser. Er schüttelte das Haupt. »Sie irren sich. Schulze bleibt. Schulze ist ein Dickkopf.«
Der Hoteldirektor folgte den beiden seltsamen Gästen in die Bar.
Die Kapelle spielte. Etliche elegante Paare tanzten. Sullivan, der Kolonialoffizier, trank den Whisky aus alter Gewohnheit pur und war bereits hinüber. Er hing auf seinem Barhocker, stierte vor sich hin und schien Bruckbeuren mit einer nordindischen Militärstation zu verwechseln. »Darf ich vorstellen?« fragte Hagedorn. Und dann machte er Geheimrat Tobler und Johann, dessen Diener, miteinander bekannt. Man nahm Platz. Herr Kesselhuth bestellte eine Runde Kognak.
Schulze lehnte sich bequem zurück, betrachtete, gerührt und spöttisch zugleich, das altvertraute Gesicht und sagte: »Doktor Hagedorn erzählte mir eben, daß Sie den Geheimrat Tobler kennen.« Herr Kesselhuth war nicht mehr ganz nüchtern. Er hatte nicht des Alkohols wegen getrunken. Aber er war ein gewissenhafter Mensch und hatte nicht vergessen, daß er täglich mindestens hundert Mark ausgeben mußte. »Ich kenne den Geheimrat sogar ausgezeichnet«, erklärte er und blinzelte vergnügt zu Schulze hinüber. »Wir sind fast dauernd zusammen!«
»Sie sind vermutlich Geschäftsfreunde?« fragte Schulze.
»Vermutlich?« sagte Kesselhuth großartig. »Erlauben Sie mal! Mir gehört eine gutgehende Schiffahrtslinie! Wir sitzen zusammen im Aufsichtsrat. Direkt nebeneinander!«
»Donnerwetter!« rief Schulze. »Welche Linie ist das denn?«
»Darüber möchte ich nicht sprechen«, sagte Kesselhuth vornehm. »Aber es ist nicht die kleinste, mein Herr!«
Sie tranken. Hagedorn setzte sein Glas nieder, zog die Oberlippe hoch und meinte: »Ich verstehe nichts von Schnaps. Aber der Kognak schmeckt, wenn ich nicht irre, nach Seife.«
»Das muß er tun«, erklärte Schulze. »Sonst taugt er nichts.«
»Wir können ja auch etwas anderes trinken«, sagte Kesselhuth. »Herr Ober, was schmeckt bei Ihnen nicht nach Seife?«
Es war aber gar nicht der Kellner, der an den Tisch getreten war, sondern der Hoteldirektor. Er fragte den jungen Mann, ob ihm die Zimmer gefielen.
»Doch, doch«, sagte Hagedorn, »ich bin soweit ganz zufrieden.«
Herr Kühne behauptete, daß er sich glücklich schätze. Dann winkte er; und Jonny und ein Kellner brachten einen Eiskübel mit einer Flasche Champagner und zwei Gläser. »Ein kleiner Begrüßungsschluck«, sagte der Hoteldirektor lächelnd.
»Und ich kriege kein Glas?« fragte Schulze unschuldsvoll.
Kühne lief rot an. Der Kellner brachte ein drittes Glas und goß ein. Der Versuch, Schulze zu
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ignorieren, war mißlungen.
»Auf Ihr Wohl!« rief dieser fidel.
Der Direktor verschwand, um dem Portier sein jüngstes Leid zu klagen.
Schulze stand auf, schlug ans Glas und hob es hoch. Die anderen Gäste blickten unfreundlich zu ihm hin. »Trinken wir darauf«, sagte er, »daß Herr Kesselhuth für meinen jungen Freund beim ollen Tobler etwas erreichen möge!«
Johann kicherte vor sich hin. »Mach ich, mach ich!« murmelte er und trank sein Glas leer. Hagedorn sagte: »Lieber Schulze, wir kennen uns noch nicht lange. Aber vielleicht sollten wir in diesem Augenblick fragen, ob Herr Kesselhuth auch für Sie etwas unternehmen kann?«
»Keine schlechte Idee«, meinte Schulze.
Johann Kesselhuth sagte amüsiert: »Ich werde Geheimrat Tobler nahelegen, auch Herrn Schulze anzustellen. Was sind Sie denn von Beruf?«
»Auch Werbefachmann«, antwortete Schulze.
»Schön war's, wenn wir in derselben Abteilung arbeiten könnten«, meinte Hagedorn. »Wir verstehen uns nämlich sehr gut, Schulze und ich. Wir würden den Toblerkonzern propagandistisch gründlich aufmöbeln. Er kann's gebrauchen. Was ich da in der letzten Zeit an Reklame gesehen habe, war zum Heulen.«
»So?« fragte Schulze.
»Grauenhaft dilettantisch«, erklärte der junge Mann. »Bei dem Reklameetat, den so ein Konzern hat, kann man ganz anders loslegen. Wir werden dem Tobler zeigen, was für knusprige Kerle wir sind! Ist er übrigens ein netter Mensch?«
»Ach ja«, sagte Johann Kesselhuth. »Mir gefällt er. Aber das ist natürlich Geschmackssache.« »Wir werden ja sehen«, meinte Hagedorn. »Trinken wir auf ihn! Der olle Tobler soll leben!«
Sie stießen an.
»Das soll er«, sagte Kesselhuth und blickte Herrn Schulze liebevoll in die Augen.
Nachdem die von Karl dem Kühnen gestiftete Flasche leergetrunken war, bestellte der Schiffahrteibesitzer Kesselhuth eine weitere Flasche. Sie wunderten sich, daß sie, trotz der langen Reise, noch immer nicht müde waren. Sie schoben es auf die Höhenluft. Dann kletterten sie ins Bräustübl hinunter, aßen Weißwürste und tranken Münchner Bier.
Aber sie blieben nur kurze Zeit. Denn die rassige Dame aus Polen, die abends eingetroffen war, saß mit Mister Bryan in einer schummrigen Ecke, und Hagedorn sagte: »Ich fürchte, wir sind der internationalen Verständigung im Wege.«
Die Bar war, als sie zurückkamen, noch voller als vorher, Frau von Mallebre und Baron Keller saßen an der Theke, tranken Cocktails und knabberten Kaffeebohnen. Frau Casparius und der dicke Herr Lenz waren aus dem Esplanade zurück und knobelten. Eine stattliche Schar
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rotwangiger Holländer lärmte an einem großen runden Tisch. Und das sächsische Ehepaar mokierte sich über die phonetische Impertinenz der holländischen Sprache.
Später verdrängte einer der Holländer den Klavierspieler. Sofort erhoben sich seine temperamentvollen Landsleute und veranstalteten, ungeachtet ihrer Smokings und mondänen Abendkleider, echt holländische Volkstänze.
Sullivan rutschte von seinem Barhocker und nahm, da sich Fräulein Marek sträubte, als Solist und gefährlich taumelnd, an dem ländlichen Treiben teil.
Das währte rund zwanzig Minuten. Dann eroberte der Klavierspieler seinen angestammten Drehsessel zurück. »Nun tanzen Sie schon endlich mit einer ihrer Verehrerinnen!« sagte Schulze zu Hagedorn. »Es ist ja kaum noch zum Aushalten, wie sich die Weiber die Augen verrenken!« Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Man meint ja gar nicht mich, sondern den Thronfolger von Albanien.«
»Wenn's weiter nichts ist!« erwiderte Schulze. »Das würde mich wenig stören. Der Effekt ist die Hauptsache.«
Hagedorn wandte sich an Kesselhuth. »Man hält mich hier im Hotel unbegreiflicherweise für den Enkel von Rockefeller oder für einen verkleideten Königssohn. Dabei bin ich keines von beiden.«
»Unglaublich!« sagte Herr Kesselhuth. Er bemühte sich, ein überraschtes Gesicht zu ziehen. »Was es so alles gibt!«
»Das bleibt aber, bitte, unter uns!« bat Hagedorn. »Ich hätte das Mißverständnis gerne richtiggestellt. Aber Schulze hat mir abgeraten.«
»Herr Schulze hat recht«, sagte Kesselhuth. »Ohne Spaß gibt's nichts zu lachen!«
Plötzlich spielte die Kapelle einen Tusch. Herr Heltai, Professor der Tanzkunst und Arrangeur von Kostümfesten, trat aufs Parkett, klatschte in die Hände und rief: »Damenwahl, meine Herrschaften!« Er wiederholte die Ankündigung noch in englischer und französischer Sprache. Die Gäste lachten. Mehrere Damen erhoben sich. Auch Frau Casparius. Sie steuerte auf Hagedorn los. Frau von Mallebre wurde blaß und engagierte, verzerrt lächelnd, den Baron.
»Nun aber ran an den Speck!« befahl Schulze.
Frau Casparius machte einen übertriebenen Knicks und sagte: »Sie sehen, Herr Doktor, mir entgeht man nicht.«
»Da werden Weiber zu Hyänen!« deklamierte Schulze, der sich auskannte. Doch die Bremerin und Hagedorn waren schon außer Hörweite. Der Tanz begann.
Schulze beugte sich vor. »Ich gehe in die Halle«, flüsterte er. »Folgen Sie mir unauffällig! Bringen Sie aber 'ne anständige Zigarre mit!« Dann verließ er die Bar.
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Geheimrat Tobler saß nun also mit seinem Diener Johann in der Halle. Die meisten Tische waren leer. Kesselhuth klappte sein Zigarrenetui auf und fragte: »Darf ich Sie zu einem Kognak einladen?«
»Fragen Sie nicht so blöd!« meinte Tobler.
Der andere bestellte. Die Herren rauchten und blickten einander belustigt an. Der Kellner brachte die Kognaks.
»Nun haben wir uns also doch kennengelernt«, sagte Johann befriedigt. »Noch dazu am ersten Abend! Wie habe ich das gemacht?«
Tobler runzelte die Stirn. »Sie sind ein Intrigant, mein Lieber. Eigentlich sollte ich Sie entlassen.«
Johann lächelte geschmeichelt. Dann sagte er: »Ich kriegte ja, als ich ankam, einen solchen Schreck! Der Hoteldirektor und der Portier krochen doch dem Doktor Hagedorn in sämtliche Poren! Am liebsten wäre ich Ihnen entgegengelaufen, um Sie zu warnen.«
»Ich werde meiner Tochter die Ohren abschneiden«, erklärte Tobler. »Sie hat natürlich angerufen.«
»Fräulein Hildegards Ohren sind so niedlich«, meinte Johann. »Ich wette, die Kunkel hat telefoniert.«
»Wenn ich nicht so guter Laune wäre, würde ich mich ärgern«, gestand Tobler. »So eine Frechheit! Ein wahres Glück, daß dieses verrückte Mißverständnis dazwischenkam!«
»Hat man Ihnen ein nettes Zimmer gegeben?« fragte der Diener.
»Ein entzückendes Zimmer«, behauptete Tobler. »Sonnig, luftig. Sehr luftig sogar.«
Johann nahm dem Geheimrat ein paar Fusseln vom Anzug und bürstete mit der flachen Hand besorgt auf den violetten Jackettschultern herum.
»Lassen Sie das!« knurrte Tobler. »Sind Sie verrückt?«
»Nein«, meinte Johann. »Aber froh, daß ich neben Ihnen sitze. Na ja, und ein klein bißchen besoffen bin ich natürlich auch. Ihr Anzug sieht zum Fürchten aus. Ich werde morgen auf Ihr Zimmer kommen und Ordnung machen. Welche Zimmernummer haben Sie, Herr Geheimrat?« »Unterstehen Sie sich!« sagte Tobler streng. »Das fehlte gerade noch, daß man den Besitzer einer gutgehenden Schiffahrtslinie dabei erwischt, wie er bei mir Staub wischt. Haben Sie Bleistift und Papier bei sich? Sie müssen einen geschäftlichen Brief erledigen. Beeilen Sie sich! Ehe unser kleiner Millionär eintrifft. Wie gefällt er Ihnen?«
»Ein reizender Mensch«, sagte Johann. »Wir werden zu dritt noch sehr viel Spaß haben.« »Lassen Sie uns arme Leute ungeschoren!« meinte der Geheimrat. »Widmen Sie sich gefälligst dem Wintersport und der vornehmen Gesellschaft!«
»Die Hoteldirektion glaubt, daß ich Doktor Hagedorn von Berlin aus kenne und es nur nicht
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zugeben will«, erzählte Johann. »Man wird also nichts dabei finden, wenn ich oft mit ihm zusammen bin. Im Gegenteil, ohne mich wäre er nie so schnell Millionär geworden!« Er blickte an Tobler herunter. »Ihre Schuhe sind auch nicht geputzt!« sagte er. Man sah es ihm an, wie er darunter litt. »Es ist zum Verzweifeln!«
Der Geheimrat, dem die Zigarre außerordentlich schmeckte, meinte: »Kümmern Sie sich lieber um Ihre Schiffahrtslinie!«
So oft die Kapelle eine Atempause machen wollte, klatschten die Tanzpaare wie besessen.
Frau Casparius sagte leise: »Sie tanzen wirklich gut.« Ihre Hand lag auf Hagedorns Schulter und übte einen zärtlichen Druck aus. »Was tun Sie morgen? Fahren Sie Ski?«
Er verneinte. »Als kleiner Junge hatte ich Schneeschuhe. Jetzt ist mir die Sache zu teuer.« »Wollen wir eine Schlittenpartie machen? Nach Sankt Veit? Den Lunch nehmen wir mit.«
»Ich bin mit meinen beiden Bekannten verabredet.«
»Sagen Sie ab!« bat sie. »Wie können Sie überhaupt diesen Mann, der wie eine Vogelscheuche aussieht, meiner bezaubernden Gesellschaft vorziehen?«
»Ich bin auch so eine Vogelscheuche«, sagte er zornig. »Schulze und ich gehören zusammen!« Sie lachte und zwinkerte eingeweiht. »Freilich, Doktor. Ich vergesse das immer wieder. Aber Sie sollten trotzdem mit mir nach Sankt Veit fahren. Im Pferdeschlitten. Mit klingelnden Glöckchen. Und mit warmen Decken. So etwas kann sehr schön sein.« Sie schmiegte sich noch enger an ihn und fragte: »Mißfalle ich Ihnen denn so?«
»O nein«, sagte er. »Aber Sie haben so etwas erschreckend Plötzliches an sich.«
Sie rückte ein wenig von ihm ab und rümpfte die Lippen. »So sind die Männer. Wenn man redet, wie einem zumute ist, werdet ihr fein wie ein Schock Stiftsdamen.« Sie sah ihm kerzengerade in die Augen. »Seien Sie doch nicht so zimperlich, zum Donnerwetter! Sind wir jung? Gefallen wir einander? Wie? Wozu das Theater! Hab ich recht oder stimmt's?«
Die Kapelle hörte zu spielen auf.