Типология художественных текстов (857787), страница 11
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Übrigens ertappte er siegeradeso auf Lügen wie den Diedel. Kein Wunder, da sie Romane las! AmSonnabendabend war nicht immer die Wochenarbeit getan, die ihr aufgegebenwar. Sie klatschte, anstatt sich zu rühren, mit dem Mädchen... Und Heßlingwußte noch nicht einmal, daß seine Frau auch naschte, gerade wie das Kind. BeiTisch wagte sie sich nicht satt zu essen und schlich nachträglich an den Schrank.Hätte sie sich in die Werkstätte getraut, würde sie auch Knöpfe gestohlen haben.Sie betete mit dem Kind «aus dem Herzen», nicht nach Formeln, undbekam dabei gerötete Wangenknochen. Sie schlug es auch, aber Hals über Kopfund verzerrt von Rachsucht. Oft war sie dabei im Unrecht. Dann drohteDiederich, sie beim Vater zu verklagen; tat so, als ginge er ins Kontor, undfreute sich irgendwo hinter einer Mauer, daß sie nun Angst hatte.
Ihre zärtlichenStunden nützte er aus; aber er fühlte gar keine Achtung vor seiner Mutter. IhreÄhnlichkeit mit ihm selbst verbot es ihm. Denn er achtete sich selbst nicht, dafür40ging er mit einem zu schlechten Gewissen durch sein Leben, das vor den Augendes Herrn nicht hätte bestehen können.Text 14Der Dom zu KölnAls der Bau des Doms zu Köln begann, wollte man gerade auch eineWasserleitung ausführen.
Da vermaß sich der Baumeister und sprach: «Eher solldas große Münster vollendet sein als der geringe Wasserbau!» Das sprach er,weil er allein wußte, wo zu diesem die Quelle sprang und er das Geheimnissniemanden als seiner Frau entdeckt, ihr aber zugleich bei Leib und Lebengeboten hatte, es wohl zu bewahren. Der Bau des Doms fing an und hatte gutenFortgang, aber die Wasserleitung konnte nicht angefangen werden, weil derMeister vergeblich die Quelle suchte.
Als dessen Frau nun sah, wie er sichdarüber grämte, versprach sie ihm Hilfe, ging zu der Frau des andernBaumeisters und lockte ihr durch List endlich das Geheimnis heraus, wonach dieQuelle gerade unter dem Turm des Münsters sprang; ja, jene bezeichnete selbstden Stein, der sie zudeckte. Nun war ihrem Manne geholfen; folgenden Tagsging er zu dem Stein, klopfte darauf, und sogleich drang das Wasser hervor. Alsder Baumeister sein Geheimnis verraten sah und mit seinem stolzenVersprechen zuschanden werden mußte, weil die Wasserleitung ohne Zweifelnun in kurzer Zeit zustande kam, verfluchte er zornig den Bau, daß ernimmermehr sollte vollendet werden, und starb darauf vor Traurigkeit. Hat manfortbauen wollen, so war, was an einem Tag zusammengebracht undaufgemauert stand, am andern Morgen eingefallen, und wenn es noch so guteingefügt war und aufs festeste haftete, also daß von nun an kein einziger Steinmehr hinzugekommen ist.
Andere erzählen abweichend. Der Teufel war neidigauf das stolze und heilige Werk, das Herr Gerhard, der Baumeister, erfundenund begonnen hatte. Um doch nicht ganz leer dabei auszugehen oder gar dieVollendung des Doms noch zu verhindern, ging er mit Herrn Gerhard die Wetteein: er wolle eher einen Bach von Trier nach Köln, bis an den Dom, geleitet alsHerr Gerhard seinen Bau vollendet haben, doch müsse ihm, wenn er gewänne,des Meisters Seele zugehören.
Herr Gerhard war nicht säumig, aber der Teufelkann teufelsschnell arbeiten. Eines Tages stieg der Meister auf den Turm, derschon so hoch war, als er noch heutzutag ist, und das erste, was er von obenherab gewahrte, waren Enten, die schnatternd vor dem Bach, den der Teufelherbei geleitet hatte, aufflogen. Da sprach der Meister in grimmem Zorn: «Zwarhast du, Teufel, mich gewonnen, doch sollst du mich nicht lebendig haben!» Sosprach er und stürzte sich Hals über Kopf den Turm herunter, in Gestalt einesHundes sprang schnell der Teufel hintennach, wie beides in Stein gehauen nochwirklich am Turme zu schauen ist. Auch soll, wenn man sich mit dem Ohr aufdie Erde legt, noch heute der Bach zu hören sein, wie er unter dem Domewegfließt.41Endlich hat man eine dritte Sage, welche den Teufel mit des Meisters FrauBuhlschaft treiben läßt, wodurch er vermutlich, wie in der ersten, hinter dasBaugeheimnis ihres Mannes kam.Text 15Peter BichselDie TochterAbends warteten sie auf Monika.
Sie arbeitete in der Stadt, dieBahnverbindungen sind schlecht. Sie, er und seine Frau, saßen am Tisch undwarteten auf Monika. Seit sie in der Stadt arbeitete, aßen sie erst um halb acht.Früher hatten sie eine Stunde eher gegessen. Jetzt warten sie täglich eine Stundeam gedeckten Tisch, an ihren Plätzen, der Vater oben, die Mutter auf dem Stuhlnahe der Küchentür, sie warteten vor dem leeren Platz Monikas. Einige Zeitspäter dann auch vor dem dampfenden Kaffee, vor der Butter, dem Brot, derMarmelade.Sie war größer gewachsen als sie, sie war auch blonder und hatte die Haut,die feine Haut der Tante Maria.
«Sie war immer ein liebes Kind», sagte dieMutter, während sie warteten.In ihrem Zimmer hatte sie einen Plattenspieler, und sie brachte oft Plattenmit aus der Stadt, und sie wußte, wer darauf sang. Sie hatte auch einen Spiegelund verschiedene Fläschchen und Döschen, einen Hocker aus marokkanischemLeder, eine Schachtel Zigaretten.Der Vater holte sich seine Lohntüte auch bei einem Bürofräulein. Er sahdann die vielen Stempel auf einem Gestell, bestaunte das sanfte Geräusch derRechenmaschine, die blondierten Haare des Fräuleins, sie sagte freundlich«Bitte schön», wenn er sich bedankte.Über Mittag blieb Monika in der Stadt, sie aß eine Kleinigkeit, wie siesagte, in einem Tearoom.
Sie war dann ein Fräulein, das in Tearooms lächelndZigaretten raucht.Oft fragten sie sie, was sie alles getan habe in der Stadt, im Büro. Sie wußteaber nichts zu sagen.Dann versuchten sie wenigstens, sich genau vorzustellen, wie sie beiläufigin der Bahn ihr rotes Etui mit dem Abonnement aufschlägt und vorweist, wie sieden Bahnsteig entlang geht, wie sie den Gruß eines Herrn lächelnd erwidert.Und dann stellten sie sich mehrmals vor in dieser Stunde, wie sieheimkommt, die Tasche und ein Modejournal unter dem Arm, ihr Parfüm;stellten sich vor, wie sie sich an ihren Platz setzt, wie sie dann zusammen essenwürden.Bald wird sie sich in der Stadt ein Zimmer nehmen, das wußten sie, unddaß sie dann wieder um halb sieben essen würden, daß der Vater nach der Arbeitwieder seine Zeitung lesen würde, daß es dann kein Zimmer mehr mitPlattenspieler gäbe, keine Stunde des Wartens mehr. Auf dem Schrank stand42eine Vase aus blauem schwedischem Glas, eine Vase aus der Stadt, einGeschenkvorschlag aus dem Modejournal.«Sie ist wie deine Schwester», sagte die Frau, «sie hat das alles von deinerSchwester.
Erinnerst du dich wie schön deine Schwester singen konnte?» –«Andere Mädchen rauchen auch», sagte die Mutter.«Ja», sagte er, «das habe ich auch gesagt».«Ihre Freundin hat kürzlich geheiratet», sagte die Mutter.Sie wird auch heiraten, dachte er, sie wird in der Stadt wohnen.Kürzlich hatte er Monika gebeten: «Sag mal etwas auf französisch». «Ja»,hatte die Mutter wiederholt, «sag mal etwas auf französisch». Sie wußte abernichts zu sagen.Stenografieren kann sie auch, dachte er jetzt. «Für uns wäre das zuschwer», sagten sie zueinander.Dann stellte die Mutter den Kaffee auf den Tisch.
«Ich habe den Zuggehört», sagte sie.Text 16Friedrich SchillerKabale und LiebeZweiter AktZweite SzeneEin alter Kammerdiener des Fürsten, der ein Schmuckkästchen trägt.Die Vorigen.K a m m e r d i e n e r: Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sichMylady zu Gnaden und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Siekommen soeben erst aus Venedig.L a d y hat das Kästchen geöffnet und fährt erschrocken zurück: Mensch!was bezahlt dein Herzog für diese Steine?K a m m e r d i e n e r mit finsterm Gesicht: Sie kosten ihn keinen Heller.L a d y: Was? Bist du rasend? Nichts! — und indem sie einen Schritt vonihm wegtritt du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich durchbohrenwolltest — N i c h t s kosten ihn diese unermeßlich kostbaren Steine?K a m m e r d i e n e r: Gestern sind siebentausend Landskinder nachAmerika fort — Die zahlen alles.L a d y setzt den Schmuck plötzlich nieder und geht rasch durch den Saal,nach einer Pause zum Kammerdiener: Mann, was ist dir? Ich glaube, du weinst?K a m m e r d i e n e r wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alleGlieder zitternd: Edelsteine, wie d i e s e da - ich hab’ auch ein paar Söhnedrunter.L a d y wendet sich bebend weg, seine Hand fassend: Doch keinengezwungenen?K a m m e r d i e n e r lacht fürchterlich: O Gott — Nein — lauterFreiwillige.
Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch’ vor die Front heraus und43fragten den Obersten, wie teuer der Fürst das Joch Menschen verkaufe? — aberunser gnädigster Landesherr ließ alle Regimenter auf dem Paradeplatzaufmarschieren und die Maulaffen niederschießen. Wir hörten die Büchsenknallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie:J u c h h e! n a c h A m e r i k a! —L a d y fällt mit Entsetzen in den Sofa: Gott! Gott! — Un ich hörte nichts?Und ich merkte nichts?K a m m e r d i e n e r: Ja, gnädige Frau – warum mußtet Ihr denn mitunserm Herrn gerad' auf die Bärenhatz reiten, als man den Lärmen zumAufbruch schlug? – Die Herrlichkeit hättet Ihr doch nicht versäumen sollen, wieuns die gellenden Trommeln verkündeten, es ist Zeit, und heulende Waisen dorteinen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wütende Mutter lief, ihrsaugendes Kind an Bajonetten zu spießen, und wie man Bräutigam und Brautmit Säbelhieben auseinanderriß, und wir Graubärte verzweiflungsvoll dastandenund den Burschen auch zuletzt die Krücken noch nachwarfen in die neueWelt — O, und mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissendeuns nicht sollte beten hören –L a d y steht auf, heftig bewegt: Weg mit diesen Steinen — sie blitzenHöllenflammen in mein Herz.
Sanfter zum Kammerdiener. Mäßige dich, armeralter Mann. Sie werden wiederkommen. Sie werden ihr Vaterland wiedersehen.K a m m e r d i e n e r warm und voll: Das wieß der Himmel! Das werdensie! — Noch am Stadttor drehten sie sich um und schrien: “Gott mit euch, Weibund Kinder! — Es leb’ unser Landesvater — am Jüngsten Gericht sind wirwieder da!” —L a d y mit starkem Schritt auf und nieder gehend: Abscheulich!Fürchterlich! — Mich beredete man, ich habe sie alle getrocknet, die Tränen desLandes — Schrecklich, schrecklich gehen mir die Augen auf — Geh du — Sagdeinem Herrn — Ich werd’ ihm persönlich danken! Kammerdiener will gehen,sie wirft ihm ihre Geldbörse in den Hut.